Im Auge der Infodemie II
Demokratieverhandlungen für den digitalen Raum der Freiheit
Wir erleben derzeit einen tiefgreifenden Medienwandel. Seit mehr als einem Jahrzehnt gehören Social-Media-Anwendungen zu unserem Alltag, bestimmen als Big-Tech-Plattformen zunehmend die kognitive Orientierung und gefährden mit Fake News, Manipulation und Desinformation immer häufiger das demokratische Gefüge (Infodemie).
Gleichzeitig ist mit der vernetzten Welt das Versprechen verbunden, dass alle Beteiligten ihre eigenen Wahrnehmungen, Interpretationen und Meinungen gleichberechtigt veröffentlichen können. Tatsächlich übernehmen Algorithmen die Bewertung und vermitteln ein falsches Bild von Partizipation, die nur auf Zustimmung hofft und vielfach geteilt werden will.
Im Rahmen der Tagung wird die Partizipation in heutigen Demokratien aus der Perspektive der Digitalisierung beleuchtet, neue Möglichkeiten der Medienaneignung im Hinblick auf das demokratische Ideal der Mündigkeit diskutiert mit dem Ziel, das Bewusstsein für eine demokratiepolitische Neuerschließung des digitalen Raums und seiner Freiheiten auf breiter öffentlicher Basis zu stärken.
PROGRAMM
14.00 Registrierung und Einlass
14.30 Eröffnung und Begrüßung
14.45 Impulsvorträge
- Clemens Apprich (Universität für angewandte Kunst Wien)
- Astrid Mager (Österr. Akademie der Wissenschaften)
- Magdalena Taube (berlinergazette.de, Hochschule Macromedia Berlin)
16.00 Pause
16.30 Parallel-Workshops
- Davide Bevilacqua (künstlerischer Leiter der Netzkultur-Initiative servus.at)
Community-mod 101 Partizipation, Selbstverwaltung und Moderation von community-basierten Medienplattformen
- Claudia Garád (Geschäftsführung Wikimedia Österreich)
Wikimedia - Freies Wissen für digitale Nachhaltigkeit und Resilienz
- David Mehlhart (Leitung Lehrredaktion, Radiofabrik Salzburg)
Nichtkommerzialität gegen Scandalo-Tainment
Die Rolle der Community-Medien für die Österreichische Öffentlichkeit
17.45 Pause
18.00 Podiumsdiskussion und Abschlussrunde
19.00 Buffet und Austausch
VORTRÄGE
Datendiskriminierung – zum Filtern von Mensch und Maschine
Clemens Apprich
Welche Rolle spielen menschliche Vorurteile in algorithmischen Verfahren, die doch eigentlich dazu entworfen wurden, objektivere Entscheidungen zu treffen? Um diese Frage zu beantworten, stellt der Vortrag ein grundlegendes Axiom des maschinellen Lernens zur Diskussion: die Datendiskriminierung. Um Informationen aus Daten zu filtern, werden Muster verwendet, die unsere eigenen Vorlieben, Vorstellungen und Vorurteile widerspiegeln. Der Vortrag wird daher nach Vorannahmen in maschinellen Lernverfahren fragen und deren Rolle in der Diskriminierung von Daten und Menschen diskutieren.
Offene Daten – öffentlicher Wert?
Astrid Mager
In Zeiten voranschreitender Verknüpfung von Technologiekonzernen und Politik müssen sich liberale Demokratien fragen, wie sie Digitalisierung sozial verträglich gestalten wollen. Algorithmische Systeme wie der AMS Algorithmus haben gezeigt, dass professionelle Prozesse und interdisziplinäre Expertise aufgebaut werden müssen, um Digitalisierung in der Verwaltung gerecht zu gestalten. Der Vortrag hält ein Plädoyer für kollaboratives Vorgehen in der Datenöffnung, sowie für solidarische Datennutzung, die sich dem öffentlichen Wert verschreibt. Der Aufbau von sozio-technischem Know-How ist für staatliche Institutionen essentiell, um dem Ausverkauf von sensiblen Daten von Bürger*innen – und deren Analysen durch kommerzielle Firmen – vorzubeugen.
KI und Aktivismus – Über die Möglichkeiten und Grenzen von Widerstand im Zeitalter von Big Tech
Magdalena Taube
Dieser Vortrag stellt das Potenzial und die Grenzen von KI-Tools für den Medienaktivismus zur Diskussion. Das 500 Milliarden Dollar Stargate-Programm in Trumps zweiter Amtszeit hat die Rolle von KI im Plattform-Kapitalismus gestärkt. Kann Macht im digitalen Raum angesichts der sich stetig ausweitenden Dominanz von Big Tech überhaupt noch herausgefordert werden? Am Beispiel von KI-Tools wie RolliApp und Journalism Watchdogs sowie der Plattform HuggingFace fragt der Vortrag nach den Möglichkeiten eines kritischen Einsatzes von KI im Aktivismus und untersucht die damit verbundenen Herausforderungen.
VORTRAGENDE
Clemens Apprich ist Leiter der Abteilung Medientheorie und des Weibel Instituts für digitale Kulturen an der Universität für angewandte Kunst Wien, wo er seit 2021 die Professur für Medientheorie und -geschichte innehat. Seit Herbst 2023 ist er zudem Vizepräsident für Forschung und Digitalität. Seine aktuelle Forschung beschäftigt sich mit digitalen Medien und Computerkulturen, mit einem besonderen Fokus auf Filteralgorithmen und deren Einsatz in der Datenanalyse sowie Methoden des maschinellen Lernens.
Astrid Mager ist Senior Academy Scientist am Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), sowie Lektorin am Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Wien. Sie hat sich kürzlich zum Thema „Algorithmische Imaginationen. Visionen und Werte in der Gestaltung von Suchmaschinen“ habilitiert. Derzeit forscht sie zu Digitalisierung in globalen Kontexten, algorithmischer Sortierung und Diskriminierung, sowie Datafizierung und Automatisierung in Europäischen Wohlfahrtsstaaten. Gemeinsam mit Barbara Prainsack leitet sie seit 2024 die ÖAW Kommission „Demokratie in digitalen Gesellschaften“.
Magdalena Taube ist Chefredakteurin der Internetzeitung berlinergazette.de und Professorin für Digitale Medien und Journalismus an der Hochschule Macromedia in Berlin. Sie ist Autorin von „Disruption des Journalismus“ (2018), erschienen im Institute of Network Cultures, Amsterdam und Ko-Autorin von „Kin City Urbane Ökologien, Infrastrukturen des Lebens und internationalistische Kämpfe“, erschienen bei Kuda.org, Novi Sad.