Es ist geplant, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in Windeseile als Staatsziel in der österreichischen Verfassung zu verankern. Dem tritt mehr demokratie! aus mehreren Gründen entgegen:
Die Verfassung zu ändern ist ein richtungweisender Akt für die Zukunft eines Landes und für das Zusammenleben der Gesellschaft. Dazu sollen diejenigen befragt werden und mitentscheiden können, die in diesem Land leben, also wir alle. Die Bevölkerung soll es selbst in der Hand haben, die grundlegende Zielrichtung unseres Staates in einer verbindlichen Volksabstimmung billigen oder ablehnen zu können. Bei Verfassungsänderungen soll somit eine Volksabstimmung entweder verpflichtend vorgesehen sein oder aber mit sehr niedriger Unterschriftenhürde ausgelöst werden können, was einer verpflichtenden Volksabstimmung nahekommt.
Ein Staatsziel der Wettbewerbsfähigkeit verengt und beschränkt den demokratischen Entscheidungsspielraum für viele Bereiche, die für die Lebensqualität der Bevölkerung wesentlich sind. Christian Felber führt vor Augen, was aus einem Staatsziel Wettbewerbsfähigkeit resultieren kann: „Wettbewerbsfähigkeit kann durch niedrigere Löhne, Sozial-, Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt-, Verbraucher-, Steuer-, Transparenz- oder Demokratiestandards erreicht werden.“ (Der Standard, 01.06.2017)
Die Zielorientierung von Unternehmen ständig zu wachsen soll nicht auch der gesamten Gesellschaft und dem Staat übergestülpt werden. Das Staatsziel des Wirtschaftswachstums verankert die Leitvorstellung einer „markt-konformen“ Demokratie, die sich an Zielen der Wirtschaft auszurichten hat. Die Grundidee der Demokratie erfordert jedoch die umgekehrte Zielhierarchie eines demokratie-konformen Marktes. Die demokratie-politische Verkehrung der Zielrichtung auf ein Staatsziel der Wettbewerbsfähigkeit verengt demokratische Spielräume und erfordert deutlichen Widerspruch.
Der soziale Zusammenhalt ist eine wesentliche Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Menschen empfinden sich nur dann als vollwertiger Teil der demokratischen Gesellschaft, wenn ihre Bedürfnisse gut abgesichert sind. In einer demokratischen Gesellschaft sollte das Ziel eines guten Lebens und einer besseren Zukunft für alle vorherrschend sein. Die Orientierung auf das Gemeinwohl ist mit einem Staatsziel der Wettbewerbefähigkeit jedoch nicht verwirklicht, sondern vielmehr bedroht und gefährdet.