die parteiunabhängige initiative für eine stärkung direkter demokratie

Democracy International

Offener Brief von NGOs zum "Demokratiepaket"

Offener Brief von NGOs zum "Demokratiepaket"

12.08.2013

Direkte Demokratie für die Bevölkerung

Wir, die unterzeichnenden NGOs, fordern die im Nationalrat vertretenen Parteien auf, die Hürden für die Bevölkerung zur Nutzung von direkt demokratischen Instrumenten zu beseitigen.

Direkte Demokratie ist eine sinnvolle Ergänzung und manchmal auch ein Korrektiv für die parlamentarische Demokratie. Sie sollte so ausgestaltet sein, dass sie auch für finanzschwache, nicht hoch-organisierte und nicht schon lange etablierte Institutionen und Bewegungen aus der Bevölkerung leicht zugänglich ist.

Parteien und politische Organisationen sind tragende, durch Wahlen legitimierte Säulen der Willensbildung in einer Demokratie. Sie haben im Parlament und durch Regierungsbeteiligungen die Möglichkeit, Vorschläge in Form von ausformulierten Gesetzen zur Abstimmung zu bringen. Die bisherige Parteienförderung und der privilegierte Zugang zu den öffentlichen wie privaten Medien sichern aber der indirekten Demokratie einen Vorsprung gegenüber zivilgesellschaftlichen Anliegen in der politischen Auseinandersetzung in Österreich.

Die direkte Demokratie muss der Bevölkerung, den Bürgerinitiativen und den NGOs die gleichen Möglichkeiten zur Gesetzgebung einräumen, wie sie den Parteien offenstehen, wenn sie eine echte direkte Demokratie als Ergänzung zur parlamentarischen sein will. Eine erneute Instrumentalisierung der direkten Demokratie für Parteien mit privilegiertem Zugang zur Gesetzgebung lehnen wir ab.

Folgende wesentliche Elemente sind dafür notwendig:

  1. Die unterzeichnenden NGOs fordern, dass die Bevölkerung verbindliche Volksabstimmungen – statt bloß unverbindlicher Volksbefragungen – auslösen kann. Sowohl von der Bevölkerung initiierte Volksabstimmungen als auch von ihr initiierte Vetoreferenden nach parlamentarischen (Verfassungs)Gesetzesvorschlägen sollen ermöglicht werden. In der Bevölkerung besteht dafür ein breiter Konsens von 72% (siehe IFES-Umfrage „Direkte Demokratie in Österreich“ von Univ.-Prof. Max Haller).
     
  2. Wir fordern, dass ein repräsentativ zusammengesetzter „Bürger_innenrat“ einen Direkt-Demokratie-Vorschlag ausarbeitet. Die Bevölkerung soll dann in einer Volksabstimmung entscheiden, ob dieser Vorschlag des „Bürger_innenrats“ oder das vorliegende „Demokratiepaket“ in Kraft treten soll.
     
  3. Die Initiatoren eines Volksbegehrens müssen wie eine Parlamentsfraktion oder die Bundesregierung einen ausformulierten Gesetzestext 1:1 und unverändert zur Abstimmung bringen können. Jede Abänderung des Textes ist eine Nichtumsetzung. Die erwünschten Änderungen der Regierungsmehrheit können in einem eigenen parlamentarischen Gegenvorschlag zur Abstimmung kommen.
     
  4. 10% der Stimmberechtigten – bei Verfassungsfragen sogar 15% - sind zur Erreichung einer Volksabstimmung eine zu hohe Hürde für kleine, finanzschwache und parteiunabhängige Initiativen. 100.000 Unterstützungen oder 2% der Wahlberechtigten wären für die Auslösung einer verbindlichen Volksabstimmung ausreichend.
     
  5. Alle Rechtsakte, an denen die österreichische Bundesregierung oder das österreichische Parlament beteiligt sind, dürfen Gegenstand von vom Volk initiierten Volksabstimmungen sein. Dazu gehören auch die Weiterentwicklung oder Veränderung des EU-Rechts und des internationalen Völkerrechts sowie Gesamtänderungen der Bundesverfassung.
     
  6. Es braucht faire Regelungen, die es den Initiativen aus dem Volk ermöglichen, ausgearbeitete Gesetzesvorschläge zu erarbeiten und der Bevölkerung ausreichend bekannt zu machen. Dazu ist unabhängige juristische Unterstützung und ein Kostenersatz notwendig. Ein Abstimmungsbuch, Belangsendungen und vom Staat bezahlte Inserate der Initiativen sichern eine ausgewogene Berichterstattung.
     
  7. Schikanen des bestehenden Volkbegehrensgesetzes sollen beseitigt werden. Ähnlich dem Standard für die Europäische Bürgerinitiative (EBI) soll eine freie Unterschriftensammlung über eineinhalb Jahre wie in der Schweiz und vielen deutschen Bundesländern auch online möglich sein.
     
  8. Die direkte Demokratie darf (genauso wie die indirekte Demokratie) nicht zu einer Abschwächung von Minderheiten- und Menschenrechten führen, um nicht zu einer Spielwiese für menschenfeindliche Hetze und Populismus zu werden. Initiativen und Abstimmungen, die Minderheiten- und/oder Menschenrechte schwächen bzw. zu einer Verschlechterung der rechtlichen Situation für Personengruppen führen, die durch Merkmale wie Herkunft, Hautfarbe, Religion, Staatsangehörigkeit, Behinderung oder sexuelle Orientierung definiert sind, sollen nicht möglich sein. Für derartige Initiativen soll es keine Volksabstimmungen geben.

 

Aktion "Bürger für Bürger", Wilfried Rogler, Bürgerrechtler und Sprecher

Aktive Arbeitslose Österreich: Mag. Ing. Martin Mair, Obmann

Attac Österreich: Mag.a Alexandra Strickner, Obfrau

atomstopp_oberösterreich: Roland Egger, Gabriele Schwaiger

BI "Rettet die Lobau - Natur statt Beton": Jutta Matysek, Obfrau

Bürgeraktiv-Plattform für Menschen- und Bürgerrechte: Dr. Johann Raunikar

Democracy International: Ronald Pabst, Geschäftsführer

Fairkehr: Erik Schnaitl

GEA: Heini Staudinger, Geschäftsführer

Grazer Beirat für BürgerInnenbeteiligung: Ing. Raimund Berger, Dr. Elmar Ladstädter

IG Demokratie: Stefan Schartlmüller

mehr demokratie!: Mag. Erwin Leitner, Mag. Erwin Mayer

POLK - Initiative zur Eneuerung der politischen Kultur: Daniel Liebmann, Obmann

Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen: Mag. Hans Holzinger

Runder Tisch bedingungsloses Grundeinkommen: Klaus Sambor

Solidar-Werkstatt Österreich: Boris Lechthaler

Steuerinitiative im ÖGB: Mag. Gerhard Kohlmaier

Unabhängige Bürgerinitiative "Rettet Österreich": Freimut Gruber

Verein Freunde des Augartens: Angelika Kreilinger, Obfrau

Verein gegen Tierfabriken: Dr. Martin Balluch, Obmann

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