Stellungnahme für eine Reform der Direkten Demokratie in Oberösterreich, die gerade auch für zivilgesellschaftliche Organisationen und Initiativen brauchbar ist
1. Senkung der Unterstützungshürden auf Landes- und Gemeindeebene
Die Senkung der Unterstützungshürden orientiert sich an den Möglichkeiten von finanzstarken Großorganisationen und Parteien. Sie berücksichtigen jedoch nicht die viel bescheideneren Gegebenheiten und Ressourcenausstattungen der meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen, sodass diese direkt-demokratischen Instrumente vielen oberösterreichischen Initiativen weiterhin verschlossen bleiben würden. Die Unterstützungshürden sollten daher auf Landes- und Gemeindeebene für Bürger- und Bürgerinitiativen auf 1% und für Volksbefragungen auf 2% gesenkt werden.
Auf Gemeindeebene wird nun eine freie Unterschriftensammlung ermöglicht, es besteht also kein Zwang für die Unterstützungserklärung aufs Amt zu gehen. Die freie Unterschriftensammlung ist für Initiativen eine enorme Erleichterung, zugleich aber auch für die Gemeindeverwaltung weniger aufwändig. Die freie Unterschriftensammlung sollte daher auch für die Landesebene ermöglicht werden.
2. Faire und chancengerechte Abstimmungsdebatte
Im Gesetzentwurf sollten für Landes- und Gemeindeebene Regeln ergänzt werden, die eine faire und chancengerechte Abstimmungsdebatte sicherstellen, insbesondere:
- Allen Stimmberechtigten sollte eine Abstimmungsbroschüre mit einer neutralen Gegenüberstellung der Argumente der Pro- und Contra-Seite zugestellt werden.
- Um Chancengleichheit in der Abstimmungsdebatte herzustellen, sollten aus Landesmitteln Kosten erstattet bzw. Kosten für Dienstleistungen übernommen werden.
- Großspender samt Betrag (Vorschlag: ab 1.000,-) sollten für eine Volksbefragung auf Landesebene offengelegt werden müssen, sodass mögliche dahinterstehende Interessen sichtbar werden. Der Landesrechnungshof gibt noch vor dem Abstimmungstermin das Ergebnis seiner Überprüfung dieser Transparenzverpflichtung bekannt.
- Soweit Landesmittel in der Abstimmungsdebatte eingesetzt werden, sind diese auf die Pro- und Contra-Seite gleichmäßig aufzuteilen.
3. Veto-Volksabstimmung auf Landesebene
Aufgrund ihrer Verfahrensdauer käme eine Bürger- und Bürgerinneninitiative bei aktuellen Themen viel zu spät. Noch bevor die Volksbefragung stattfinden kann, könnten nämlich schon Fakten geschaffen worden sein. Eine Mehrheit der Bundesländer (Burgenland, Niederösterreich, Steiermark, Tirol, Vorarlberg) kennt das Instrument der Veto-Volksabstimmung. Dabei kann durch Unterschriftensammlung eine Volksabstimmung über neue Gesetze oder Beschlüsse des Landtags oder über neue Maßnahmen der Landesregierung ausgelöst werden. Dieses Instrument der Veto-Volksabstimmung sollte auch in Oberösterreich eingeführt werden.
4. Verbindlichen Volksabstimmungen auf Gemeindeebene
Die Gemeindebevölkerung kann trotz des ausdrücklichen Wunsches von Magistratsstädten nur unverbindliche Volksbefragungen, nicht jedoch verbindliche Volksabstimmungen auslösen. Schon jetzt können auf Gemeindeebene in den Bundesländern Burgenland, Steiermark und Vorarlberg durch die Gemeindebevölkerung verbindliche Volksabstimmungen initiiert werden. Auch die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher sollten in ihren Gemeinden verbindliche Volksabstimmungen herbeiführen können, die vom Gemeinderat umgesetzt werden müssen.
5. Resolution an den Bund für die Ermöglichung verbindlicher Volksabstimmungen auf Landes- und Gemeindeebene auf Initiative stimmberechtigter Bürgerinnen und Bürger
In Oberösterreich gab es bis 2001 die Möglichkeit, dass die Bevölkerung verbindliche Volksabstimmungen auf Landesebene auslöst. Aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zur „Vorarlberger Volksgesetzgebung“ musste diese Möglichkeit jedoch abgeschafft werden. Landtag und Landesregierung sollten Nationalrat und Bundesrat in einer Resolution auffordern, die Bundesverfassung dahingehend abzuändern, dass verbindliche, von der stimmberechtigten Bevölkerung ausgelöste Volksabstimmungen auf Landes- und Gemeindeebene ermöglicht werden.
6. Etablierung von Wirtschaftskonventen
Etablierung eines Prozesses zur Abhaltung von Wirtschaftskonvents in verschiedenen Ebenen (Gemeindeebene, regionaler Ebene, Landesebene). Ein Wirtschaftskonvent soll Richtlinien für ein gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften festlegen und damit auch Bewertungskriterien, die z.B. in eine Gemeinwohl-Bilanz einfließen können. Vorbilder für solche Konvente gibt es in Zürich (seit 2000) und in Island (seit 2010).
Diese gemeinsame NGO-Stellungnahme wird von 17 NGOs, Initiativen und Organisationen unterstützt (s.a. beiliegende pdf-Datei mit Logos):
mehr demokratie! oberösterreich
atomstopp oberösterreich
Attac Linz
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
Gemeinwohlökonomie
IG Demokratie
IG-Milch - Verein österreichischer Grünland- und Rinderbauern
Katholische Arbeitnehmer/innen Bewegung
Nets.werk - Nachhaltig leben
ÖBV-Via Campesina Austria - Österreichische Bergbauern- und bäuerinnenvereinigung
POLK - Initiative zur Erneuerung der politischen Kultur
Radio FRO 105Mhz - Das freie Radio in Linz
Solidar-Werkstatt Österreich
SoNed - Erwerbs-Arbeitslosen-Internet-Plattform
Soziales Netzwerk Wels
Verein für beherzte Gesprächskultur und Selbstermächtigung
VGT - Verein gegen Tierfabriken