I. Teil Die Gemeinden
1. Abschnitt Die Gemeinden und ihre Aufgaben
§ 1 Geltungsbereich
Dieses Gesetz gilt für die Gemeinden Tirols mit Ausnahme der Stadt Innsbruck.
2. Abschnitt Gemeindeorgane
§ 52 Zusammenwirken mit Kollegialorganen
(1) Der Bürgermeister hat die Beschlüsse der übrigen Gemeindeorgane zu vollziehen. Dies gilt nicht, wenn und insoweit deren Beschlüsse den Aufgabenbereich überschreiten, gegen ein Gesetz oder eine Verordnung verstoßen oder sonst offenbar den Interessen der Gemeinde zuwiderlaufen.
(2) Hat der Bürgermeister gegen einen Beschluss des Gemeindevorstandes oder eines Ausschusses nach § 21 Abs. 1 lit. c Bedenken im Sinne des Abs. 1 zweiter Satz, so hat er mit der Vollziehung innezuhalten und die Weisung des Gemeinderates einzuholen. Hat der Bürgermeister gegen einen Beschluss des Gemeinderates derartige Bedenken, so hat er mit der Vollziehung innezuhalten und den Gemeinderat darauf hinzuweisen. Erteilt der Gemeinderat die Weisung, den Beschluss des Gemeindevorstandes oder eines Ausschusses nach § 21 Abs. 1 lit. c zu vollziehen oder beharrt der Gemeinderat auf seinem Beschluss, und ist der Bürgermeister weiterhin der Ansicht, es werde(n)
a) der Aufgabenbereich des Kollegialorganes überschritten, gegen ein Gesetz oder eine Verordnung verstoßen oder überörtliche Interessen verletzt, so kann er die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft oder
b) Interessen der Gemeinde verletzt, so kann er die Meinung der Stimmberechtigten nach § 61 Abs. 1 im Wege einer Volksbefragung über die Zulässigkeit des Vorhabens einholen. Die Bezirkshauptmannschaft hat die Vollziehung des Beschlusses zu untersagen, wenn einer der in lit. a genannten Gründe vorliegt.
3. Abschnitt Volksbefragung, Gemeindeversammlung, Petitionen
§ 61 Volksbefragung
(1) Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde, mit Ausnahme der Wahlen zu den Organen der Gemeinde, der Gemeindeabgaben und der Begründung oder Beendigung von Dienst−, Arbeits− und Ausbildungsverhältnissen, können einer Befragung der nach § 7 TGWO 1994 aktiv wahlberechtigten Gemeindebürger (Stimmberechtigten) unterzogen werden (Volksbefragung).
(2) Eine Volksbefragung ist durchzuführen, wenn dies
a) wenigstens ein Sechstel der Stimmberechtigten,
b) der Gemeinderat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder oder
c) der Bürgermeister im Falle des § 52 Abs. 2 lit. b
verlangen.
(3) Die der Volksbefragung zugrunde zu legende Frage ist derart zu formulieren, dass ihre Beantwortung mit "Ja" oder "Nein" möglich ist. Hätte die geplante Maßnahme eine erhebliche Belastung des Haushaltes oder eine erhebliche Minderung der Einnahmen der Gemeinde zur Folge, so hat die Frage auch einen Vorschlag über die Bedeckung des Aufwandes oder den Ersatz des Einnahmenausfalles zu enthalten.
§ 62 Einleitung
(1) Jeder Stimmberechtigte kann beim Gemeindeamt einen Antrag auf Durchführung einer Volksbefragung einbringen.
(2) Anträge, die die Voraussetzungen nach § 61 Abs. 1 und 2 lit. a und 3 nicht erfüllen, sind vom Bürgermeister innerhalb von zwei Wochen mit schriftlichem Bescheid abzuweisen.
(3) Ordnungsgemäße Anträge, die nicht bereits von einem Sechstel der Stimmberechtigten in der Weise unterschrieben worden sind, dass aus der Unterschrift die Identität der Person zweifelsfrei hervorgeht, sind vom Bürgermeister innerhalb von zwei Wochen nach der Einbringung unter Anführung des Wortlautes der gestellten Frage durch öffentlichen Anschlag nach § 60 Abs. 1 kundzumachen. Die Kundmachung hat den Hinweis zu enthalten, dass es allen Stimmberechtigten freisteht, innerhalb von vier Wochen vom Tag der Kundmachung an den Antrag durch Eintragung ihres Namens, ihres Geburtsdatums und ihrer Adresse in eine im Gemeindeamt aufgelegte Liste zu unterstützen.
(4) Erhält der Antrag innerhalb der Auflagefrist nicht die erforderliche Unterstützung, so hat der Bürgermeister den Antrag innerhalb einer Woche mit schriftlichem Bescheid abzuweisen.
§ 63 Ausschreibung
(1) In den Fällen des § 61 Abs. 2 lit. a oder b hat der Bürgermeister, in den Fällen des § 61 Abs. 2 lit. c der Bürgermeister−Stellvertreter, die Volksbefragung innerhalb einer Woche auszuschreiben.
(2) Die Volksbefragung ist spätestens innerhalb von sieben Wochen nach der Ausschreibung an einem Sonntag oder einem anderen öffentlichen Ruhetag durchzuführen.
(3) Der Tag der Volksbefragung und die gestellte Frage sind mindestens zwei Wochen vorher durch öffentlichen Anschlag nach § 60 Abs. 1 kundzumachen.
§ 64 Abstimmungsbehörden
(1) Für die Bildung von Abstimmungsbehörden sowie für die Vorbereitung und Durchführung der Volksbefragung gelten die Bestimmungen der TGWO 1994 über die Bildung von Wahlbehörden sowie über die Vorbereitung und Durchführung der Wahl sinngemäß.
(2) Über Einsprüche gegen das Verzeichnis der Stimmberechtigten entscheidet die Abstimmungsbehörde. Die Berufung an den Gemeinderat ist zulässig.
§ 65 Ermittlung des Ergebnisses
(1) Zur Durchführung der Volksbefragung sind amtliche Stimmzettel zu verwenden. Die Stimmzettel haben nach der Frage das Wort "Ja" und einen daneben liegenden Kreis und das Wort "Nein" und einen daneben liegenden Kreis zu enthalten. Die beiden Kreise sind in derselben Größe und Stärke, die Worte auch in der gleichen Schriftart darzustellen.
(2) Ein Stimmzettel ist gültig, wenn aus ihm zweifelsfrei hervorgeht, ob der Stimmberechtigte mit "Ja" oder "Nein" abgestimmt hat. Enthält ein Kuvert mehrere gültige Stimmzettel, die auf "Ja" und "Nein" lauten, so sind sämtliche Stimmzettel ungültig. Lauten alle von mehreren Stimmzetteln auf "Ja" oder "Nein", so sind sie als ein Stimmzettel zu zählen.
(3) Das Ergebnis der Volksbefragung ist unverzüglich nach Vorliegen des Endergebnisses durch öffentlichen Anschlag nach § 60 Abs. 1 kundzumachen. Innerhalb dieser zweiwöchigen Kundmachungsfrist kann jeder Stimmberechtigte gegen die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses beim Gemeindeamt schriftlich Einspruch erheben. Über den Einspruch entscheidet der Gemeinderat.
(4) Das Ergebnis der Volksbefragung ist nach dem Ablauf der Kundmachungsfrist bzw. nach dem Vorliegen der Entscheidung über den Einspruch in die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Gemeinderates aufzunehmen.
§ 66 Gemeindeversammlung
(1) Der Bürgermeister hat wenigstens einmal jährlich in einer öffentlichen Gemeindeversammlung über die wichtigsten Angelegenheiten, die die Gemeinde seit der letzten Gemeindeversammlung betroffen haben, zu berichten und einen Ausblick auf die weiteren Vorhaben zu geben. Anschließend ist den Gemeindebewohnern Gelegenheit zur Abgabe einer Äußerung zu geben. Die Gemeindeversammlung kann auch für einzelne Teile der Gemeinde oder für einzelne Gruppen von Gemeindebewohnern, wie Jugendliche, Frauen, Senioren, Behinderte, Berufsgruppen und dergleichen, gesondert abgehalten werden.
(2) Zeit und Ort der Gemeindeversammlung sind mindestens zwei Wochen vorher durch öffentlichen Anschlag nach § 60 Abs. 1 kundzumachen.
§ 67 Petitionen
Jeder Gemeindebewohner kann in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde mit Wünschen oder Beschwerden an die Gemeindeorgane herantreten. Sie sind schriftlich beim Gemeindeamt einzubringen und dem betreffenden Gemeindeorgan, im Falle eines Kollegialorganes dessen Mitgliedern, in geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen.