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Democracy International

Offener Brief von mehr demokratie ! salzburg an die ÖVP

Salzburger Modell für Direkte Demokratie

Offener Brief von mehr demokratie ! salzburg an die ÖVP

27.04.2013

Der Salzburger Gemeinderat hat das "Salzburger Modell: Direkte Demokratie - Instrumente für Bürgermitbestimmung" mit großer Mehrheit beschlossen. Zur Verankerung im Salzburger Stadtrecht ist in weiterer Folge ein Landtagsbeschluss mit 2/3-Mehrheit erforderlich. mehr demokratie ! Salzburghat sich an alle Landtagsparteien und wahlwerbende Gruppen gewandt und will bis 30. April 2013 wissen, ob die Parteien - soweit sie das nicht schon bekundet haben - das Salzburger Demokratie-Modell unterstützen und zum Gegenstand von allfälligen künftigen Parteienverhandlungen machen werden.

 Da die ÖVP in der Stadt Salzburg als einzige Partei gegen das Modell gestimmt hat, hat mehr demokratie ! SalzburgLH-Stv. Dr. Haslauer in einem ausführlichen Schreiben, das im Folgenden dokumentiert wird, um die konkrete Haltung/Zustimmung der Landes-ÖVP gefragt.

 

 

Herrn Landesparteiobmann

LHStv. Dr. Wilfried Haslauer

 

Salzburg, 2013-04-26

 

 

Betr.: Salzburger Modell für Direkte Demokratie / Bürgermitbestimmung;

Allfällige Parteienvereinbarungen nach der Landtagswahl 2013

 

 

Sehr geehrter Herr Landeshauptmannstellvertreter Dr. Haslauer!

 

Der Salzburger Gemeinderat hat am 17.04. 2013 das Salzburger Modell für Direkte Demokratie mit überwältigender Mehrheit beschlossen.

 

Mit großem Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen, dass Ihre Parteifreunde in der Stadt Salzburg die verbindliche BürgerInnen-Mitbestimmung des Salzburger Modells kategorisch ablehnen.

 

Es stimmt uns aber optimistisch, dass die Landes-ÖVP Weitblick beweist und dem Salzburger Modell für mehr direkte Demokratie positiv gegenüber steht. Glaubt man Ihrer Antwort an mehr demokratie! Österreich, werden Sie die Änderung der Stadtverfassung auf Basis des Amtsberichtes unterstützen.

 

Uns irritiert jedoch Ihre Stellungnahme bei der SN Diskussion am letzten Donnerstag und die neue vage Antwort an mehr demokratie! Österreich. Sie scheinen einen Rückzieher zu versuchen und lassen wieder alles offen. Wir fragen uns ernsthaft, ob auch die in Ihrem Wahlkampf-Programm enthaltenen Punkte zur BürgerInnen-Mitbestimmung – mit den Worten Ihrer ÖVP-Kollegen in der Stadt – nur Bürgerpflanz sind?

 

Gestatten Sie uns einige Erläuterungen zur Position der Stadt-ÖVP und die Aufforderung an die Landes-ÖVP, noch vor der Wahl klar Stellung zu beziehen, ob sie die Stadtrechtsänderung definitiv mitbeschließen wird oder nicht.

 

Sehr geehrter Herr Dr. Haslauer, wir bitten deshalb um rasche Beantwortung nachstehender Fragen:

 

  1. Wird die ÖVP im neuen Landtag dem Wunsch der Stadt nach mehr direkter Demokratie nachkommen und die gewünschte Stadtrechtsänderung in vorliegender Form mitbeschließen?

    JA o NEIN o

     

  2. Wird die ÖVP das vom Salzburger Gemeinderat mit fast ¾ Mehrheit beschlossene Salzburger Modell in eventuelle Parteienvereinbarungen aufnehmen, damit es einer Beschlussfassung durch den Landtag mit ÖVP-Unterstützung zugeführt wird.

    JA o NEIN o

 

Zu Ihrer Information einige Erläuterungen bzw. auch Fragen zur Stadt-ÖVP und deren unverständlicher Haltung:

 

  • Klubobmann Dr. Fuchs beklagte in seiner Wortmeldung in der Sitzung des Sonder-Gemeinderates, dass derzeit große Bürgerinitiativen von der Stadtpolitik nicht gehört werden. Gleichzeitig stimmt die ÖVP jedoch gegen das Mitbestimmungs-Modell, das sicherstellt, dass Bürgerinitiativen künftig gehört werden müssen! Ja, dass es Ihnen sogar ermöglicht wird, einen für die Politik verbindlichen Volksentscheid „von unten“ einzuleiten. Übrigens indirekt auch über Verordnungen, es kommt nur auf die kluge Formulierung der Abstimmungsfrage an!

    Damit sind die Salzburgerinnen und Salzburger nicht mehr von „Obrigkeits-Gnaden“ abhängig, sie haben das Recht, mitzureden und mitzubestimmen. Meinen Sie nicht auch, dass sich Ihre Parteifreunde in der Stadt selbst widersprechen und ihr Zickzack-Kurs politisch fragwürdig ist?

     

  • Die Stadt-ÖVP polemisiert in unsachlicher Weise gegen das Salzburger Modell und insbesondere gegen den sog. Wiederholungsbeschluss bzw. „Beharrungsbeschluss“. Sie verschwiegt, dass ein derartiger Beschluss nur mit ¾ Anwesenheitsquorum und mit einer ¾ Mehrheit möglich ist. Sie verschweigt, dass er nur bis zu 25% Wahlbeteiligung gefasst werden kann, dann nicht mehr! Einzige Ausnahme darüber hinaus: wenn die Stadt finanziell gegen die Wand fahren würde.

    Das Wichtigste lassen Ihre Parteifreunde unter den Tisch fallen: die ÖVP kann einen „Beharrungs-Beschluss“ jederzeit verhindern! Oder befürchtet die ÖVP, in der Stadt unter 25% zu fallen?

     

  • Die Stadt-ÖVP fordert, dass ein Volksentscheid generell erst ab 30% Wahlbeteiligung gültig ist. Im Salzburger Modell ist das schon bei 10% der Fall („Beharrungsbeschluss“ bei 3/4 -Mehrheit bis maximal 25%). Sie fordert, dass mit 30% Wahlbeteiligung über alles abgestimmt werden kann, auch über Verordnungen. Damit stellt sich die Stadt-ÖVP klar gegen die Verfassung. Diese Forderung entbehrt also jeder Realität und steht außerhalb der derzeitigen Bundesverfassung.

     

  • Frage: wird die ÖVP fordern, dass künftig alle Wahlen, die 30% Wahlbeteiligung nicht erreichen, ungültig sind (wie z.B. die Hochschülerschaftswahlen mit weit unter 30%?). Wir bitten auch zu diesem Punkt um Ihre Antwort.

     

  • Warum hat sich die ÖVP nicht schon längst gegen die derzeit gültige Version der Bürgerabstimmung gewendet (die nur von oben angeordnet werden kann). Hier gibt es ÜBERHAUPT KEINE Wahlbeteiligungs-Hürde! Siehe § 53b und § 53c derzeitiges Stadtrecht. Misst die Stadt-ÖVP mit zweierlei Maß?

     

  • Die ÖVP der Stadt stellt sich mit ihrer Forderung nach einer 30% Hürde auch klar gegen den Beschluss des Europarates (Venedig-Kommission), der bei direkt demokratischen Abstimmungen keine wie immer geartete Wahlbeteiligungs-Hürde empfiehlt. In diesem Sinne wäre sogar die beschlossene 10% Hürde obsolet, sie wird aber von einigen internationalen Demokratie-Experten als gerade noch akzeptabel beurteilt. Ein Kompromiss, den wir leider eingehen mussten.

     

  • Versucht sich die Stadt-ÖVP mit Ihrer Forderung nach einer 30% Hürde der offenen demokratischen Diskussion zu entziehen? Es gilt nämlich international als erwiesen, dass hohe Beteiligungshürden von großen politischen Gruppen deshalb gefordert werden, um direkte Demokratie de facto zu verhindern. Die InitiatorInnen aus der Bürgerschaft werden durch hohe Hürden entmutigt, eine Abstimmung herbeizuführen, außer, die Betreiber sind die etablierten Parteien selbst, die auch mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet sind. Ein typisches Beispiel dafür ist die völlig unverbindliche Bundesheer-Volksbefragung.

    Große Gruppen entziehen sich durch hohe Wahlbeteiligungs-Hürden der öffentlichen, demokratischen Diskussion, indem sie ihren Anhängern einfach sagen, „geht nicht hin“. Damit wird die hohe Wahlbeteiligungs-Hürde nicht erreicht und eine Abstimmung ist von vorne herein zum Scheitern verurteilt.

 

Sehr geehrter Herr Dr. Haslauer, wir bedanken uns schon vorab für Ihre rasche Stellungnahme. Wir erwarten Ihre Antwort auf die beiden oben stehenden Fragen bis spätestens Dienstag, 30. April 2013, um sie noch rechtzeitig vor der Landtags-Wahl unseren MitstreiterInnen, der Salzburger Bürgerschaft und den Medien übermitteln zu können.

 

Bitte schicken Sie uns die Antwort per Mail bzw. als pdf-Datei.

 

Mit freundlichen Grüßen

für „mehr demokratie ! Salzburg“

 

Dr. Hannes Augustin Wilfried Rogler Mag. Heinz Stockinger

 

Beilage: Rechtsgutachten von Ass. Prof. Dr. Klaus Poier zum „Salzburger Modell“

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