Die Abstimmungsergebnisse dieses Wochenendes lassen die Österreicherinnen neidisch in die Schweiz und nach Deutschland blicken. In der Schweiz gab es eines der vierjährlichen Abstimmungstage mit zahlreichen Volksabstimmungen über bundesweite, kantonale und regionale Themen. In Deutschland stimmten die SPD-Mitglieder über die Annahme des Koalitionsvertrages mit den Unionsparteien ab: "Beide Möglichkeiten gibt es so nicht für die ÖsterreicherInnen, hier gibt es weiter zu wenig direkte Demokratie", vergleicht Erwin Mayer aus dem Bundesvorstand von mehr-demokratie! Österreich, die drei deutschsprachigen Länder
mehr demokratie! als parteiunabhängige Demokratie-NGO kommentiert oder bewertet auch nicht die Abstimmungsergebnisse: "Wir sind bei den Sachfragen neutral, aber ganz entschieden auf der Seite der Bevölkerung in ihrem Wunsch nach mehr Einbindung und Mitentscheidung in der Politik", so Erwin Mayer.
Etablierte Möglichkeiten der Mitbestimmung in der Schweiz und Deutschland
In der Schweiz können im Gegensatz zu Österreich bereits 100.000 StimmbürgerInnen eine Verfassungs-Initiative wie die No Billag- Initiative unterstützen, die dann bei Nichtberücksichtigung durch eine parlamentarische Umsetzung zwingend zu einer verbindlichen Volksabstimmung führt. Ob das Anliegen der Initiative ausreichend oder nicht im Parlament umgesetzt wurde, entscheiden die InitiatorInnen. Sie haben es somit in der Hand, ob eine Volksabstimmung zu Stande kommt. Das Parlament kann einen Gegenvorschlag präsentieren oder auch nur Empfehlungen für das Abstimmungsverhalten der StimmbürgerInnen geben. Diesmal folgten bei der No Billag- Initiative 76,6 Prozent der Bevölkerung und alle Kantonsmehrheiten den Empfehlungen des Nationalrates und des Bundesrates und lehnten die Initiative klar ab: "Damit ist diese Sachfrage vom Souverän entschieden und kann auch nicht vom Parlament oder Regierung auf Dauer übergangen werden", stellt Mayer klar. Unverbindliche Volksbefragungen, wie sie in Österreich auf Bundesebene (Frage der Wehrpflicht) und auf regionaler und lokaler Ebene öfters angewandt, aber auch immer wieder von Parlamenten missachtet werden, gibt es in der Schweiz bewusst nicht. „Wenn die WählerInnen zur Urne gehen, entscheiden sie“ heißt es bei den Eidgenossen. Auch „von oben“ angesetzte Abstimmungen, gleich ob Volksabstimmung oder Volksbefragung sind den SchweizerInnen unbekannt: Präsident, Regierung und Parlament haben kein Recht eine Abstimmung anzusetzen. Sie ist immer entweder obligatorisch oder von der Bevölkerung initiiert.
In Deutschland hat immerhin die Parteibasis der SPD, bereits zum zweiten Mal, über die zukünftige Regierungsbeteiligung mitentschieden. Diese Abstimmung wurde aber vom Vorstand angesetzt und nicht von der Basis mit einer ausreichenden Unterschriftenanzahl ausgelöst.
Direkte Demokratie in Österreich bleibt Lippenbekenntnis der Parteien
In Österreich hat die Bundesregierung wider ihrer Wahlversprechen und klar gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung das Verfassungsgesetz zur Einführung eines zwingenden Initiativrechts nach Schweizer Vorbild auf 2022 verschoben. Als zusätzliche Barrieren wurden zwischen ÖVP und FPÖ eine hohe Hürde von 900. 000 Wahlberechtigten für die Auslösung einer Volksabstimmung von unten und ein Beteiligungsquorum von einem Drittel vereinbart. Beides gibt es in der von der Bevölkerung im Bereich der direkten Demokratie wesentlich mitbestimmten Schweizer Verfassung nicht. Auch in Österreich haben sich die meisten BürgerInnen in einer Umfrage für 100.000 Unterschriften als Grenze zur Auslösung einer Volksabstimmung ausgesprochen.
Das aktuelle „Don’t smoke“ Volksbegehren hat diese Grenze bereits klar überschritten und die Forderungen der Opposition, v.a. der SPÖ, nach einer Volksabstimmung hätten sich somit erübrigt: "Aber bisher war die SPÖ leider klar gegen ein zwingendes Initiativrecht nach Schweizer Vorbild", schließt Mayer.
Für Rückfragen und weitere Informationen: erwin.mayer@mehr-demokratie.at